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Was tun gegen den rasant wachsenden Stahlpreis

Aktualisiert: 7. Aug.

Für die Absicherung von Schwankungen bei Rohstoffpreisen hat sich das sogenannte Hedging als Oberbegriff für Absicherungsgeschäfte durchgesetzt. Anders als bei NE-Metallen wo Hedging schon schon länger eine größere Rolle spielt, ist für Stahl zu berücksichtigen, dass es sich nicht um einen homogenen Rohstoff handelt, sondern einen Werkstoff, der mit unterschiedlichen Eigenschaften, Legierungen, Formen und Abmessungen nachgefragt wird. Ist Hedging im Stahlgeschäft also nur etwas für Spezialisten?


Bekannt ist Hedging bisher lediglich für börsennotierte NE-Metalle, etwa für Aluminium, für Kupfer oder für Nickel, das als Legierungsmetall eingesetzt wird. Für Stahl dagegen fehlen bislang akzeptierte Hedging-Angebote im Markt. Das scheint sich aber nun auch nachhaltig zu verändern. Der Ruf nach Hedging in der Stahlindustrie ist lauter geworden. Hedging dient der Absicherung eines anderen, wenn die Rohstoffpreise stark schwanken. Solche Geschäfte können dann zum Beispiel auch Rohstoffkontrakte sein. Dass „Hedging“ von vielen genau anders herum mit einem erhöhten Risiko in Verbindung gebracht wird, ist jedenfalls im ursprünglichen Sinne sicherlich falsch. Aber was bedeutet Hedging für den Stahleinkauf?


Herausforderung in der Rohstoffversorgung

Zunächst aber ein Blick auf die Marktentwicklung, aus der sich die derzeitigen und sich verschärfenden Rahmenbedingungen ergeben. Die Stahlmengenkonjunktur hat sich nach den starken Rückgängen im Krisenjahr 2020 in den ersten Monaten 2021 erholt. Die Rohstahlerzeugung ist im ersten Quartal um 3 Prozent auf 10,2 Millionen Tonnen gestiegen. Im März wurde mit – hochgerechnet auf das Gesamtjahr – rund 45 Millionen Tonnen sogar das höchste Niveau seit vier Jahren erzielt. Die Kapazitäten dürften damit nahezu vollausgelastet gewesen sein.


Die konjunkturelle Erholung in den vergangenen Monaten ist im Wesentlichen getragen auch von Sondereinflüssen: Infolge der pandemiebedingten Einschränkungen wurden die Lagerbestände im Vorjahr entlang der industriellen Wertschöpfungskette auf ein sehr niedriges Niveau heruntergefahren. Im Zuge der Wiederaufstockung ergeben sich derzeit kräftige Impulse für die Nachfrage. Infolgedessen sind in der Stahlindustrie in Deutschland auch die Auftragseingänge wieder angestiegen.

An den strukturellen Herausforderungen für die Branche hat sich trotz der jüngsten Gegenbewegungen aber nichts geändert: Die globale Überkapazitätssituation hat sich im Zuge der Pandemie eher noch verschärft, und mit Blick auf die USA werden die Stahl-Zölle voraussichtlich auch unter der Biden-Administration fortgeführt, so dass die Gefahr von Handelsumlenkungen bestehen bleibt. Schließlich fällt, über das Gesamtjahr gesehen, die Nachfrageerholung wohl eher moderat aus. Sowohl in Deutschland als auch in der EU als Ganzes, wird nach Angaben von Worldsteel bzw. Eurofer zufolge die Stahlnachfrage sowohl in 2021 als auch im kommenden Jahr noch deutlich hinter dem Vorkrisenlevel 2018 zurückbleiben.


Das Konzept der Absicherung

Zunächst das Prinzip: das Grundgeschäft und das Hedge-Geschäft werden so miteinander gekoppelt, dass Verluste aus dem einen Geschäft durch Erlöse aus dem anderen ausgeglichen werden. Die Kosten des Hedgings sind die Gebühren der Dienstleister im Finanzmarkt. Erforderlich für ein erfolgreiches Hedging ist die Börsennotierung für den abzusichernden Vermögensgegenstand oder jedenfalls ein funktionierender Derivate-Markt. Hedging durch nicht-standardisierte Derivate wird auch im außerbörslichen („over-the-counter“) Bereich angeboten. Zudem gibt es auch Möglichkeiten sich über mittel-und langfristige Lieferverträge oder auch internes Netting (Aufrechnung von Positionen) abzusichern.


In Deutschland ist das Hedging jedoch bei weitem nicht so stark verbreitet wie in den angelsächsischen Ländern, wo es für Landwirte sehr normal ist, ihre Ernten wie Weizen, Mais oder Sojabohnen über die Terminmärkte zu sichern, um dadurch Plan- und Kalkulierbarkeit in ihre Unternehmenszahlen zu bringen. Zu oft schrecken gerade mittelständische Firmen, die das Gros der deutschen Unternehmen ausmachen, vor Absicherungen zurück. Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass Hedging noch ein relativ unbekanntes Instrument ist. Oft bedarf eines Experten und damit sind zusätzliche Kosten, die einerseits für die Absicherung und auch die Beratung entstehen, mit in das Gesamtbewertung einzubeziehen.


Allerdings zeigt sich, dass diese Investition oftmals mehr als übertroffen wird. Preisrisiken können dadurch minimiert werden und man ist als Unternehmen weniger stark von den Schwankungen an den Rohstoff-, Währungs- oder auch Zinsmärkten abhängig.


Aufgrund sich verändernder Zeiten, die immer schnelllebiger werden, müssen sich Firmen an dieses neue Umfeld anpassen. Viele Terminbörsen handeln an fünf Tagen der Woche fast rund um die Uhr. Währungen werden von Sonntag 23:00 Uhr bis Freitag 23:00 Uhr durchgehend gehandelt, ähnlich wie viele Zinsprodukte. Es gibt so gut wie keine freien Handelstage im Jahr, außer weniger als einer Handvoll. Ständig ändert sich damit die kalkulatorische Basis für viele Einkäufer.


Ständiges Neukalkulieren vor allem bei den aktuell volatilen Rohstoff- und Währungskursen kann einen enormen Aufwand und Ressourcenbindung hervorrufen. Daher macht es durchaus Sinn, sich über Absicherungsstrategien Gedanken zu machen, die einen Preis von vornherein auf eine bestimmte Zeit fixieren und man dadurch Planungssicherheit erhält.


Alternativen zum Hedging

Es gibt Alternativen zum Hedging, denn das Phänomen stark schwankender Stahlpreise ist schon lange bekannt. Preisschwankungen sind auch stets ein existenzielles Problem für Unternehmen in der Stahl- und Metallverarbeitung, da der Vormaterialanteil für die Produkte dieser Branche 70 Prozent und mehr betragen kann. Mechanismen zur Bewältigung des Preisschwankungsrisikos sind bisher z. B. möglichst kongruente Vertragslaufzeiten im Einkauf und Verkauf, Preisgleitklauseln, Schrottpreis- oder Legierungszuschläge, Re-Sale-Programme durch den Kunden, Rückvergütungssysteme, Nachverhandlungen und unendlich viele Mischformen von alledem.


Diese Alternativen sollten neu überdacht und noch effizienter in die Verträge eingebaut werden. Zwar sind einige Herausforderungen auch hier zu meistern. So steht das Kartellrecht der Vereinbarung eines allgemeinen Indexwertes, der eine branchenweite Basis für eine vertragliche Rohstoffschwankungsklausel sein könnte, entgegen. Aber individuelle Vereinbarungen über einen Standard sind erlaubt – und im Laufe der Zeit mag sich ein Index-Standard als branchenüblich herausbilden.


Lohnt sich eine Absicherung?

Hedging ist weder Segen noch Fluch, weder Allheilmittel noch gänzlich unbrauchbar. Hedging ist ein eingeübtes Instrument des Finanzmarktes, das geeignet ist, Risiken von Preisschwankungen abzufangen. Unternehmen auf allen Wertschöpfungsstufen müssen selbst entscheiden, ob sie zum Instrument des Hedgings greifen wollen. Wichtige Voraussetzungen für ein gelungenes Hedging sind beim Stahl jedoch nicht gegeben.


So gibt es keinen ausreichend gesicherten Standard für Stahlderivate an den Börsen. Ferner sind die Produktunterschiede bei verschiedenen Stahlsorten so groß, dass das Hedging leicht zum Risikogeschäft werden kann, wo es doch eigentlich Risiken nehmen soll. Ferner gibt es die berechtigte Sorge, dass die Schwankungen für den Stahlpreis noch zunehmen und sich damit auch die verbliebenen Restrisiken des Hedgings für Stahl noch weiter erhöhen. Schließlich gibt es keine hinreichenden Kostenvergleiche für Hedging-Produkte. Der WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung hält eine Diskussion über das Hedging, dem gerade die kleineren Unternehmen der Branche möglicherweise nicht gewachsen sind, für verfrüht. Wichtige Voraussetzungen für ein wirksames Hedging müssten für den Stahlmarkt erst noch entwickelt werden.


Vorrangig sollten die Unternehmen jedoch vorhandene vertragliche Alternativen verbessern.


Welches Lösung für sie in Frage kommt, dass können wir gerne einmal individuell für ihr Unternehmen bewerten. Mit dieser Grundlage können wir ihnen für die weiteren Entscheidungen einen guten Eindruck vermitteln!

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