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Der wahre Wert der Wertschöpfung

Aktualisiert: 7. Aug.

Die langfristige Wertschöpfung kann – und sollte – die Interessen aller Stakeholder berücksichtigen. Herausforderungen wie Globalisierung, Klimawandel, Einkommensungleichheit wurde gegenüber der wachsenden Macht der Technologiegiganten durch die Öffentlichkeit über die letzten Jahre hinweg immer konsequenter eingefordert. Die junge Generation Politiker wurde auf diese Weise vehement daran erinnert durch mehr Regulierung und grundlegende Veränderungen in der Corporate Governance die Zukunft nachhaltig zu gestalten. Aber wo stehen wir heute: Erscheint nicht der Kapitalismus stärker den je?

Es ist nicht das erste Mal, dass das globale Wertschöpfungssystem unter Beschuss gerät. Um die Wende zum 20. Jahrhundert in den USA warfen die Befürchtungen über die wachsende Macht von Unternehmenszusammenschlüssen Fragen auf, die zu einer strengeren Durchsetzung der Kartellgesetze führten. Die Große Depression der 1930er Jahre war ein weiterer solcher Moment, als anhaltende Arbeitslosigkeit das Vertrauen in die Fähigkeit des kapitalistischen Systems zur Mobilisierung von Ressourcen untergrub.


Die heutige Kritik beinhaltet eine Aufforderung an Unternehmen, über ihre Aktionäre hinaus eine breitere Palette von Interessengruppen in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen. Diese Sichtweise hat in Kontinentaleuropa seit langem Einfluss und ist dort häufig in Corporate-Governance-Strukturen eingebettet. Der Ansatz gewinnt auch in den Vereinigten Staaten an Zugkraft mit dem Aufkommen von gemeinnützigen Unternehmen, die Direktoren ausdrücklich ermächtigen, die Interessen anderer Wähler als der Aktionäre zu berücksichtigen.


Gerade in dieser Zeit des Nachdenkens über die Tugenden und Laster des Kapitalismus halten wir es für entscheidend, dass Manager und Vorstände ein klares Verständnis davon haben, was genau Wertschöpfung im Einzelfall bedeutet. Für die werteorientierten Führungskräfte von heute kann und darf sich die Wertschöpfung nicht nur allein auf die Maximierung des aktuellen Aktienkurses beschränken. Vielmehr gilt es den Wert eines Unternehmens für seine Aktionäre im jetzt und auch für Zukunft zu maximieren.


Ein Blick in die Zukunft

Die Zukunftsorientierung von Unternehmen kommt nicht von ungefähr: Themen wie Klimawandel und Einkommensungleichheit haben Bedenken geweckt, dass das heutige globale Wirtschaftssystem für die Zukunft schlichtweg zu kurz greift. Der Hauptschuldige ist die auf kurzfristige Entscheidungen ausgerichtete Unternehmensführung und der Mangel an langfristigen, strategischen Zielen. Manager und Anleger richten sich zu oft auf diese kurzfristigen Leistungskennzahlen, insbesondere den Gewinn je Aktie, anstatt auf die langfristige Wertschöpfung. Und die Tendenz zur Kurzfristigkeit hat zugenommen.


Unternehmen, die Kurzfristigkeit mit Wertschöpfung verbinden, gefährden aber häufig sowohl den Shareholder Value als auch die Interessen der Stakeholder. Nicht zuletzt hat uns die Finanzkrise 2008 sehr deutlich gezeigt, dass das kurzfristige ausgerichtete Handeln der Banken zu einem weltweiten Zusammenbruch des klassischen Wirtschaftssystems geführt hat. Unternehmen, deren kurzfristige Ausrichtung zu solchen Auswirkungen führt, zerstören ihren Shareholder Value, nicht nur direkt durch Sanierungskosten und Bußgelder, sondern auch durch anhaltende Reputationsschäden.


Die besten Manager sparen nicht an Nachhaltigkeit, treffen keine wertvernichtenden Entscheidungen, nur weil ihre Kollegen dies tun, und verwenden keine buchhalterischen oder finanziellen Spielereien, um kurzfristige Gewinne zu steigern. Solche Handlungen untergraben die Interessen der Aktionäre und aller Stakeholder und sind das Gegenteil von Wertschöpfung.


Wertschöpfung ist inklusive

Um langfristigen Shareholder Value zu schaffen, müssen Unternehmen überall auf der Welt auch andere Stakeholder zufriedenstellen. Sie können keinen langfristigen Wert schaffen, indem Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter ignorieren. Denn Investitionen in nachhaltiges Wachstum führen zu einer stärkeren Wirtschaft, einem höheren Lebensstandard und mehr Chancen für den Einzelnen. Es sollte daher nicht überraschen, dass der wertschöpfende Kapitalismus dazu dient, den Fortschritt zu katalysieren, sei es, indem er Millionen von Menschen aus der Armut befreit, zu höheren Alphabetisierungsraten beiträgt oder Innovationen gezielt fördert, um z.B. die Lebensqualität zu verbessern und die Lebenserwartung zu verlängern.

Beispiel Google bzw. Alphabet: Die kostenlose Tool-Suite von Alphabet für den Bildungsbereich, einschließlich Google Classroom, soll beispielsweise Lehrern nicht nur Ressourcen zur Verfügung stellen, um ihre Arbeit einfacher und produktiver zu machen, sondern auch Schülern auf der ganzen Welt mit Google-Anwendungen vertraut machen. Alphabet setzt ebenfalls konsequent seine Wertevorstellungen durch, wenn es darum geht, Geschäfte auf seine Plattform zu verbieten die versuchen bewusst bestimmte Nutzergruppen zu schädigen; der App-Store von Google Play verbietet daher u.a. Applikationen für Privatkredite, die mit widrigen Geschäftspraktiken werben.


Beispiel, Lego: In ähnlicher Weise hat sich Lego durch seine Mission „gut spielen“ die Kraft des Spiels zu Nutze gemacht, um „die Baumeister von morgen” für die Gestaltung ihrer Umgebung und ihren Gemeinden zu inspirieren. Diese Initiative hat zu einem Programm geführt, das Dutzende von Kindern im ländlichen China mit ihren berufstätigen Eltern vereint. Programme wie diese spielen zweifellos eine Rolle dabei, der Marke ein entsprechendes Image zu geben, welches auch die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter steigert.


Beispiel, Sodexo: Oder nehmen Sie die Bemühungen von Sodexo, ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zwischen Managern zu fördern. Laut Sodexo hat das Programm nicht nur die Bindung von Mitarbeitern, sondern auch von Kunden erhöht und auch sogar die Betriebsmargen gesteigert.


Aktionäre und Stakeholder: Ein ausgewogener Ansatz

Die Zeit wird zeigen, wie Unternehmen ihre eigenen überzeugenden Maßstäbe finden. Als Ausgangspunkt empfehlen wir Führungskräfte die langfristige Wertschöpfung zu priorisieren - auch wenn Kompromisse eingegangen werden müssen. Ein Unternehmen, das einzig und allein versucht seine Gewinne zu steigern, auf der anderen Seite aber ein unzureichendes Arbeitsumfeld bietet, Mitarbeiter unterbezahlt oder bei Sozialleistungen spart, wird zukünftig mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Denn der Zugang zu qualifizierten, hochwertigen Mitarbeiter wird zunehmend anspruchsvoller; und die wahren Talente langfristig zu halten ist eben auch nur in einer optimalen Arbeitsumgebung möglich. Mehr Verletzungen und Krankheiten durch ein unzureichendes Arbeitsklima können eine behördliche Prüfung und mehr Druck durch die Gewerkschaften nach sich ziehen. Eine höhere Fluktuation wird unweigerlich die Ausbildungskosten erhöhen.


Mit der heutigen mobilen und gut ausgebildeten Belegschaft wird ein solches Unternehmen langfristig gegen Wettbewerber kämpfen, die attraktivere Umgebungen anbieten. Und die erfolgreich am Markt agieren, können es sich auch leisten, einen über dem Marktpreis liegenden Lohn zu zahlen und trotzdem erfolgreich zu sein.


Nur wir gut ist nun wirklich gut genug? Für einen langfristigen Fokus auf Wertschöpfung sollte man z.B. in Erwägung ziehen, Löhne zu zahlen, die ausreichen, um qualifizierte Mitarbeiter anzuziehen und sie glücklich und produktiv im Unternehmen zu halten. Vielleicht kann man auch einfach die Löhne mit einer Reihe von nichtmonetären Vorteilen und Belohnungen kombinieren. Selbst Unternehmen, die die Herstellung von Produkten wie Bekleidung und Textilien in Billiglohnländer mit schwachem Arbeitsschutz verlagert haben, mussten feststellen, dass sie darauf achten müssen die Arbeitsbedingungen ihrer Lieferanten einzuhalten oder ansonsten mit massiven Gegenreaktionen der Verbraucher konfrontiert werden.


Oder überlegen Sie, welchen Preis ein Unternehmen für seine Produkte verlangen sollte. Ein langfristiger Ansatz würde Preis, Volumen und Kundenzufriedenheit abwägen, um einen Wert zu ermitteln, der einem Nachhaltigkeitsanspruch genügt. Ein Preis also, der die Verbraucher dazu verleitet, die Produkte zu kaufen – nicht nur einmal, sondern mehrmals. Das Unternehmen mag zwar kurzfristig bei einem niedrigeren Preis erfolgreich sein, aber es gibt keine Möglichkeit einen nachhaltigen Wert im Unternehmen zu schaffen.


Soziale Folgen

Aber es gibt nicht den einen richtigen Weg. Unternehmen in stark wettbewerbsorientierten Industriebereichen ringen darum, wenn es darum geht kostenintensive, nicht profitable Standorte zu erhalten. Trotz aller Kritik wägen in der Regel Manager sorgfältig ab, wie sich unpopuläre Entscheidungen sich langfristig auf das Unternehmen oder auch auf die Mitarbeiter auswirken.


Auf der anderen Seite können aber durchaus auch die Verbraucher davon profitieren, wenn Waren zu den niedrigsten Kosten hergestellt werden können; und die Wirtschaft profitiert davon, wenn Betriebe geschlossen werden, bevor sie zu einer Belastung für öffentliche Ressourcen werden. Und letztlich bietet es auch den Mitarbeitern die Möglichkeit neue Arbeitsplätze bei wettbewerbsfähigeren Unternehmen zu finden. Klar, es stimmt, dass Mitarbeiter oft nicht einfach umziehen können um eine beliebige neue Arbeitsstelle antreten können.


Wertschöpfung ist kein Zauberstab

Langfristige Wertschöpfung war historisch gesehen eine massive Kraft für das öffentliche Wohl, ebenso wie sich Kurzfristigkeit als Geißel erwiesen hat. Aber Kurzfristigkeit ist nicht die einzige Quelle für das heutige Gefühl in einer wirtschaftlich angespannten Situation zu leben. Stellen Sie sich tatsächlich vor, dass Kurzfristigkeit auf magische Weise geheilt würde: Würden das heißen, das andere grundlegende Probleme plötzlich auch verschwinden? Natürlich nicht. Es gibt viele Kompromisse, bei denen Führungskräfte vor enormen Herausforderungen stehen ihre Entscheidung richtig abzuwägen.


Dies gilt insbesondere dann, wenn es um Themen geht, die Personen betreffen, die nicht unmittelbar mit dem Unternehmen zu tun haben. Diese externen Faktoren, wie z.B. die CO2-Emissionen eines Unternehmens, können für die Entscheidungsfindung eines Unternehmens äußerst herausfordernd sein, da es keine objektive Grundlage für Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Parteien gibt.


Das soll nicht heißen, dass Führungskräfte das Problem der externen Effekte einfach als unlösbar abtun sollten oder als etwas darstellen, das in ferner Zukunft erst gelöst werden muss. In Bezug auf das Klima ergreifen einige der größten Energieunternehmen der Welt, darunter BP und Shell, derzeit mutige Maßnahmen zur CO2-Reduzierung, und binden selbst Vergütungssysteme mit den gesteckten Emissionszielen.


Dennoch ist die Komplexität für jedes einzelne Unternehmen offensichtlich, das sich der globalen Bedrohungen durch den Klimawandel stellen will. Solche Umstände stellen höhere Anforderungen wie z.B. an Regierungen und auch Investoren. Regierungen können Anreize, Vorschriften und Steuern schaffen, die eine Abwanderung von umweltschädlichen Energiequellen fördern. Idealerweise würden solche Ansätze mit marktorientierten Ansätzen harmonieren, um so alternde Technologien und Systeme durch sauberere und effizientere Energiequellen zu ersetzen. Dieses Abwägen unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen und Zeithorizonte ist genau das, was die Menschen ihren Regierungen vorschreiben.


Tatsächlich hat die Kontrolle solcher Themenkomplexe durch die Anleger zugenommen. Langfristig orientierte Unternehmen müssen sich auf diese Veränderungen einstellen und müssen damit ihre Strategien über einen Zeithorizont von fünf, zehn oder gar 20 Jahren. Leider aber werden immer noch zu häufig kurzfristige Einflussfaktoren genutzt, um diese langfristigen Ziele aufzugeben.

 

Doch wie positive Beispiele bestätigen, können die Interessen von Aktionären und Stakeholdern durchaus auch Hand in Hand gehen. Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag, indem sie langfristig Wert schaffen. Um dies nachhaltig zu tun, müssen die Anliegen von Verbrauchern, Mitarbeitern, Lieferanten und Aktionären gleichermaßen berücksichtigt werden. Ein kurzfristiger Fokus führt zwangsläufig zu kurzfristigen Veränderungen einiger oder aller dieser Gruppen. Ein langfristiges Bekenntnis zur Wertschöpfung berücksichtigt dagegen fast axiomatisch ein breites Spektrum konstituierender Interessen. Natürlich ist es nicht das Heilmittel für alle Missstände, aber ein Engagement für langfristige Wertschöpfung ist in der Tat wertschätzend.

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